Aufmerksamkeit | Attention
English version below
Ich fasse meine Erfahrungen und was mir erzählt wurde hier verallgemeinernd zusammen. Ich bin mir dessen bewusst und möchte auch so verstanden werden.
Schon in der Vorbereitung auf den Freiwilligendienst haben wir, die Freiwilligen meiner Entsendeorganisation, uns viel mit dem Thema Aufmerksamkeit während unserer Zeit hier befasst. Daher wusste ich bevor ich in Gambia ankam, dass meine helle Haut und ich als junge Frau Aufmerksamkeit auf mich ziehen werde. Diese Aufmerksamkeit spiegelt sich beispielsweise darin wieder, dass ich sobald ich an Kindern und teilweise auch Erwachsenen vorbei gehe “Tubab” oder “Tubabo” gerufen wird, was soviel bedeutet wie “Weiße”. Für mich ist das auch nach sechs Monaten noch jedes Mal anstrengend, insbesondere an stressigen Tagen oder wenn ich mich mal nicht so wohl fühle. Außerdem fühlt es sich für mich immer noch komisch an, wie eine Art berühmte Persönlichkeit behandelt zu werden, nur aufgrund meiner Hautfarbe.
Hierzu möchte ich kurz eine Erfahrung teilen, die mich nachhaltig beeindruckt hat. Als ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen einen Brief an einer Schule abgeben sollte, wurde ich von ca. 50 Kindern umkreist, mir wurde die Hand gegeben und meine Haut wurde angefasst. Alle schienen so beeindruckt von meiner weißen Haut und davon, dass sie mir so nah waren und wirklich spüren konnten, ob es einen Unterschied zu ihrer eigenen Haut gab. Für mich hat sich der Moment an sich nicht unangenehm angefühlt, weil ich gemerkt habe, dass es sich bei den jungen Schüler*innen um reine Neugier handelte. Trotzdem hat sich der Moment der ungeteilten Aufmerksamkeit für mich seltsam angefühlt, weil ich rein aufgrund meines Äußeren im Mittelpunkt stand.
Ich habe darüber mit vielen meiner Vertrauenspersonen gesprochen und ihnen erklärt, wie das bei mir ankommt, wenn ich “Tubab” oder “Tubabo” gerufen werde. Nämlich so, als würde mir jede Person immer wieder sagen wollen “DU bist anders als WIR!”. Dabei wurde ganz klar, dass hier die Perspektive besonders wichtig ist. Mir wurde von mehreren Personen erklärt, dass das Wort “Tubab” positiv konnotiert ist und Personen, die mich mit “Tubab” oder “Tubabo” ansprechen das keinesfalls negativ meinen. Viel mehr wird das Wort mit positiven Eigenschaften assoziiert, wie ‘organisiert sein, pünktlich sein, etc.’ und wird somit fast als eine Art Kompliment verstanden. “You are behaving white-ish” (was soviel bedeutet wie “Du verhältst dich westlich”) wird sogar teilweise als Aussage gegenüber gambischen Personen verwendet, wenn sie besonders pünktlich oder organisiert sind, oder sich auf eine bestimmte Art und Weise ausdrücken. (Wobei es hier nicht immer als Kompliment gemeint ist, sondern teilweise auch als Hint dient zur Frage “Meinst du jetzt du bist etwas besseres?”) Vielen Menschen ist oftmals nicht bewusst, dass wir uns durch die Hervorhebung als “Tubab” unwohl fühlen.
Insbesondere für Kinder ist es zusätzlich teilweise das erste Mal, dass sie eine weiße Person sehen und sie sind aus diesem Grund irritiert bzw. erstaunt. Diese Irritation und teilweise auch ihr Erstaunen drücken sie dadurch aus, dass sie “Tubab” rufen, oder mir die Hand geben bzw. meine Haut/Haare anfassen wollen.
Obwohl ich mir dessen bewusst bin, dass es nicht böse gemeint ist, wenn ich “Tubab” oder “Tubabo” gerufen werde, fühlt es sich für mich nicht gut an. Aus diesem Grund versuche ich Menschen, an Tagen an denen ich die Energie dazu habe, zu erklären, dass das nicht mein Name ist und ich lieber mit meinem Namen angesprochen werden möchte. Das wird sehr oft respektiert.
Thema Name
Ich möchte erwähnen, dass ich natürlich nicht von allen Menschen mit “Hey Weiße” angesprochen werde, sondern auch sehr oft nach meinem Namen gefragt werde, oder einfach nur danach, wie es mir geht und oftmals auch danach woher ich komme. Die gambische Mentalität ist in meiner Wahrnehmung grundsätzlich eine sehr gesellige – “Peace and Love” wurde mir erklärt. Das geht damit einher, dass Menschen sich beim Vorbeigehen gegenseitig grüßen und zumindest Floskeln austauschen. Es bedeutet aber beispielsweise auch, dass wenn jemand vorbei kommt während gegessen wird, diese Person zum Essen eingeladen wird und sich einfach dazu setzen kann. Dadurch hatte ich schon sehr spannende Gespräche im Vorbeigehen und unzählige Essenseinladungen.
Genau aus diesem Grund wurden uns direkt zu Beginn unseres Freiwilligendienstes allerdings auch gambische Namen gegeben, damit wir nicht allen Menschen, denen wir auf der Straße begegnen unseren deutschen Namen sagen müssen. Das dient für uns als Schutz, denn es ist wirklich erstaunlich, wie sich beinahe alle Menschen, denen ich meinen Namen nur mal eben nebenbei gesagt habe sich diesen merken können – eben weil ich auffalle. Mich persönlich erstaunt und freut das immer wieder, wenn ich nach einiger Zeit anstelle von “Tubab” mit meinem gambischen Namen angesprochen werde. Allerdings lässt es mich auch immer wieder schlecht fühlen, weil ich mir eben nicht immer alle Namen merken kann, die mir von meinen Gesprächspartner*innen genannt werden. Ich bin mir sehr dessen bewusst, dass das absolut normal und auch okay ist und ich frage dann oftmals einfach nochmal nach. Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt.
Männliche Aufmerksamkeit als junge Frau
Das Thema männliche Aufmerksamkeit als weiße, junge Frau ist in meiner Wahrnehmung und dabei kann ich auch für meine weiblichen Mitfreiwilligen sprechen omnipräsent. Ich erinnere mich tatsächlich an keinen Tag, an dem ich mich draußen auf der Straße bewegt habe und nicht mindestens einmal von einer männlichen Person angesprochen wurde, ein flüchtiges Kompliment erhalten habe, nach meiner Nummer oder meinem Ehemann gefragt wurde oder ähnliches. Dabei muss ich erwähnen, dass ich natürlich auch von Frauen angesprochen werde, allerdings sehr viel seltener mit dem Gesprächsöffner “Wo ist dein Ehemann?”.
Während teilweise wirklich nette Unterhaltungen entstehen, kommt es auch vor, dass das Interesse meines Gegenübers an meiner Person sich bedrückend und nach zu viel anfühlt. Insbesondere, wenn das Gespräch in eine Richtung läuft, in der nur noch von Deutschland geschwärmt wird und die eigene Absicht irgendwann eine Deutsche zu heiraten zum Mittelpunkt der Unterhaltung wird. Ich habe mittlerweile meinen Umgang damit gefunden und kann aufdringliche Versuche mich anzusprechen ignorieren oder in Situationen, in denen ich beispielsweise nach meiner Nummer gefragt werden klar kommunizieren, dass ich diese nicht rausgeben möchte bzw. gerade keine Kapazitäten für ein Gespräch habe.
Besonders erschreckend finde ich immer Kommentare wie “bring mir eine deutsche Frau mit, wenn du zurück gehst”. Das habe ich leider schon öfter gehört und es verdeutlicht für mich immer die Objektifizierung von Frauen in den Augen meines Gegenübers. In solchen Situationen versuche ich immer (so ruhig wie es mir in der Situation möglich ist aber mit Nachdruck) zu erklären, dass das nicht ist, wie eine Beziehung oder Ehe funktioniert. Dass Frauen nicht wie Waren mitgebracht werden können sondern Bedürfnisse haben und eigene Entscheidungen in ihrem EIGENEN Leben treffen können.
Thema Ansprechen
Mir ist während meiner bisherigen Zeit aufgefallen, dass ich zwar als weiße Frau ein Extra an Aufmerksam erfahre, dass Frauen ansprechen allerdings auch grundsätzlich gesellschaftlich eine andere Rolle spielt, als in meinem Umfeld in Deutschland. Auch Bekannte und Freundinnen erzählen mir, dass es für sie dazu gehört häufiger angesprochen und direkt nach ihrer Nummer gefragt zu werden. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass die aktive Rolle des Ansprechens gesellschaftlich mehr ‘beim Mann’ verankert ist.
Durch viel Austausch zu diesem Thema mit unterschiedlichen Menschen sowohl hier in Gambia, aber auch mit Menschen aus Deutschland wurde mir bewusst, wie deutlich ich hier die Bedeutung und Auswirkungen von unausgesprochene gesellschaftliche Regeln “Social Norms” im Miteinander der Gesellschaft wahrnehme. Hier in Gambia scheint sich darauf verständigt worden zu sein, dass die aktive Rolle des Ansprechens von potentiellen Partnerinnen (ich schreibe das hier bewusst, da gleichgeschlechtliche Beziehungen hier in Gambia nach den Informationen, die ich von mehreren Personen erhalten habe nicht verbreitet sind) vom Mann ausgeht. Ich habe von vielen Frauen hier gehört, dass sie das erwarten und selbst nicht den ersten Schritt auf einen Mann zu machen würden. (Auch das gilt natürlich sicherlich nicht für alle Frauen hier!) Auch mit der Intensität des Ansprechens habe ich persönlich immer wieder zu kämpfen. Insbesondere, weil ein “nein” oftmals zumindest beim ersten Mal nicht ernst genommen wird und es oft Ausreden braucht, um aus unangenehmen Situationen entkommen zu können und in Ruhe gelassen zu werden (das ist selbstverständlich nichts, was nur hier in Gambia vorkommt).
Was diese Erfahrung mit mir macht
Die Erfahrung durch meine Hautfarbe aufzufallen hatte ich durch Reisen bereits vor meinem Freiwilligendienst in Gambia gemacht. Allerdings spielen für mich die Zeitdauer, die ich hier verbringe und die Intensität der Aufmerksamkeit, die mir entgegengebracht wird durchaus eine Rolle. Besonders kämpfe ich mit der männlichen Aufmerksamkeit und der damit einhergehenden Objektifizierung von Frauen. In meiner Wahrnehmung werden Frauen nur dann als Gegenüber wahrgenommen und nicht als Objekt der Begierde gesehen werden, wenn sie verheiratet sind. Natürlich keinesfalls von jedem Mann, aber es fällt mir häufig auf. Insbesondere Gesprächsbeginne wie “Wo ist dein Mann?”, “Möchtest du einen gambischen Mann heiraten?” oder “Ich möchte eine weiße Frau.” sind für mich zu echten Red Flags geworden. Ich möchte als vollwertige Person mit eigener Meinung und Grenzen wahrgenommen werden. Ich bin kein Anhängsel von jemandem! Diese Erfahrung bestärkt mich noch mehr in der Arbeit, die ich hier in einer Frauenrechtsorganisation leiste und darin, mich nach meiner Rückkehr weiterhin für Gleichberechtigung und Frauenrechte einzusetzen. Es zeigt für mich auch deutlich, wieviel es noch zutun gibt, bis wir von global erreichter Gleichberechtigung der Geschlechter sprechen können.
I am generalizing my experiences and what I have been told in this article. I am aware of this fact and would like it to be understood that way.
During our preparations we, the volunteers from my sending organization, were already discussing the issue of attention during our volunteer service. Thus, I already knew that as a white, young women I will receive a lot of it here in The Gambia. The attention for example includes children and partly also adults calling me “Tubab” or “Tubabo” what means something like “White person” when passing on the street. Even after six months it still feels exhausting being given all this extra attention especially on busy days or when I do not have the mental capacity. Furthermore, it feels strange being treated like a celebrity solely based on the own skin color.
I would like to briefly share an experience that made a lasting impression on me. I was on my way to deliver a letter to a school together with my female colleagues. When we arrived the young students were on break and could not believe a white person just entered their school yard. Around 50 children came to me, they wanted to shake my hand and touched my skin on my arms. Everyone seemed so excited about my white sin and about being that close to me to even sense how it feels touching a white person. In this moment I did not feel uncomfortable, because I could feel the pure curiosity of the students. Still, it felt strange experiencing all the attention due to my appearance.
I was talking a lot to my confidants here about people calling me “Tubab” or “Tubabo” and explained to them how I perceive being in the middle of attention frequently due to my appearance. Namely as if people want to remind me “YOU are different from US!”. Talking to them it became very clear that perspective is particularly important. People explained to me that the phrase “Tubab” is positively associated and that people do not have negative intentions when calling white people “Tubab” or “Tubabo”. Even more, the phrase is associated with attributes such as ‘being organized, being punctual, and others’ and is thus seen as some kind of a compliment. “You are behaving white-ish” is sometimes even a sentence used by Gambians towards Gambians if they are particularly punctually or organised or behave in a certain way. (Still, it has to be mentioned that in this context it is not always meant as a compliment, but also partly serves as a hint to the question “Do you think you are superior?”) Many people often do not realise that being highlighted as a “Tubab” makes us feel uncomfortable.
Especially for kids it is sometimes the first time to see a white person in person what irritates or amazes them. They express their irritation and sometimes also their astonishment by shouting “Tubab”, shaking my hand or wanting to touch my skin/hair.
Though, I know there is no bad intention about calling me “Tubab” or “Tubabo” it feels uncomfortable for me. Thus, on days that I have the capacity to do so, I try to explain to people that “Tubab” is not my name and that I would rather be called by my name. This is very often respected.
gambian name
Of cause not everybody approaches me by calling me “Hey white lady”, sometimes people just ask for my name or about how I am doing, or often even where I am from. The Gambian mentality in my perception is very social – I was told “peace and love”. This includes people greeting each other when passing by or for example inviting each other to join in for eating when its time for food. As a result, I have had some very interesting conversations in passing and countless lunch invitations.
This is exactly why we were given Gambian names right at the beginning of our volunteer service, so that we do not have to tell our German names to everyone we meet on the street. This serves as protection for us, because it is really amazing how almost all the people I have just mentioned my name to in passing by can remember it – simply because I stand out due to my appearance. Personally, I am always happy when I am addressed by my Gambian name instead of “Tubab” after a while. However, it also makes me feel a little bit bad, because I can not always remember all the names of people who I was talking to. I am very aware that this is absolutely normal and okay and I often just ask again. That brings me to my next point.
male attention as a young woman
The topic of male attention as a young white woman is omnipresent in my but also in the experience of my female co-volunteers. I do not remember a day where I was outside and was not approached by at least one man, received a fleeting compliment, was asked for my number or my husband or something similar. I have to mention that I am also approached by women but much less often with the conversation opener “Where is your husband?”.
Whilst some really nice conversations do arise, it also happens that the other person’s interest in me feels oppressive and too much. Especially when the conversation goes in a direction where men only talk about Germany and their own intention to marry a German woman. I have now found a way of dealing with this situations. I can ignore intrusive attempts and clearly comminicate that I do not give out my number when I do not want to and communicate clearly that I do not want to be approached when I do not have the capacity at the moment.
For me comments like “bring me a wife when you are going back to Germany” are especially shocking. Unfortunatelly, I did not hear this only once so far and for me it clearly expresses the objectification of women in the eyes of the other person. In situations like that I always try to explain (as calmly as I can in the situation but with vigour) that this is not how relationships or marriages work and that women are not commodities that can just be brought for someone. We are actual humans with needs and an own opinion and power of decision over OUR OWN lives.
adressing women
So far, I have noticed that although I receive extra attention as a white woman, approaching women generally plays a different role in society than it does in my environment in Germany. Friends and acquaintances also tell me that for them, being approached and asked for their number is something that happens frequently. The active role of approaching women here in The Gambia due to my experience so far is more socially ascribed ‘to men’.
In many conversations on this topic with different people here in The Gambia, but also with people from Germany, I realised how clearly I perceive the importance and effects of unspoken social norms in social interactions here. For me it seems that in The Gambia society agreed that the active role of approaching potential female partners (I was told, that same-sex relationships are not common in The Gambia) comes from the man. I even heard from many women that they expect this active part from men and that they would not make the first step towards a man themselves. (Of course, this does not apply to all women!) I personally also struggle with the intensity of males approaching me. Especially because a “no” is often not taken seriously, at least at first, and excuses are often needed to get out of awkward situations (of course, this is not something that only happens here in The Gambia).
what i take from this experience
I already had the experience of standing out based on my skin colour when travelling before my voluntary service in The Gambia. However, the amount of time I spend here and the intensity of the attention I receive definitely play a role for me. I particularly struggle with the male attention and the objectification of women that comes with it. In my perception, women are only perceived as a counterpart and not seen as an object of desire if they are married. Not by every man, of course, but I often notice it. In particular, conversation starters such as “Where is your husband?”, “Would you like to marry a Gambian man?” or “I want a white woman.” have become real red flags for me. I want to be recognised as a fully-fledged person with my own opinion and boundaries. I am not someone’s appendage! This experience encourages me even more in working with a women’s rights organisation here and in continuing to work for gender equality and women’s rights after my return. For me, it also clearly shows how much there is still to be done in order for gender equality to be achieved globally.