Meine Ramadan Erfahrung |
My Ramadan Experience
English version below
Als Teil einer muslimischen Familie hier in Gambia hat es sich für mich nur richtig angefühlt, es zumindest zu versuchen im Ramadan mit zu fasten. Darüber hat sich meine Gastfamilie sehr gefreut, auch wenn sie immer betont haben, dass sie das nicht von mir verlangen. In Retrospektive bin ich sehr froh, dass ich mit gefastet habe und konnte im Ramadan viel über mich selbst, meinen Körper und die Auswirkungen des Fastens in der Gesellschaft lernen. Ich möchte ein paar persönliche Einblicke und Wahrnehmungen hier teilen.
Zu Beginn des Ramadan hatte ich wirklich großen Respekt davor, was das Fasten mit der Gesellschaft und dem Zusammenleben macht und vor allem, ob ich das wirklich durchhalten kann. Aufgrund der hohen Temperaturen war für mich klar, dass ich zwar versuchen möchte auf das Essen zu verzichten, allerdings nicht auf das Trinken. Außerdem habe ich direkt kommuniziert, dass ich aufgrund der sozialen Zugehörigkeit auch auf das Essen verzichten möchte, um gemeinsam durch die Zeit zu gehen, ich das allerdings nicht aus Glaubensgründen mache und aus diesem Grund auch nicht mit beten möchte.
Mein Alltag im Ramadan
Der Tag hat im Ramadan immer sehr früh um 5 Uhr für mich begonnen, um das erste Mal am Tag zu essen. Um ca. 6 Uhr hat dann der Muezzin gerufen und das Fasten eingeleitet. Ab diesem Zeitpunkt haben wir aufgehört zu essen und die anderen in meiner Familie auch zu trinken bis der Muezzin abends um ca. 19:15 Uhr wieder gerufen hat und damit das Fasten beendet hat.
Morgens bin ich wie gewohnt zur Arbeit gegangen. Nach der Arbeit haben ich meine Gastmutter zuhause beim Kochen unterstützt und wir haben stundenlang gekocht und geredet, bis es nahezu Zeit zu essen war. Jeden Tag gab es mindestens zwei unterschiedliche Gerichte und einen besonderen Tee. Das alles haben wir zusammen vorbereitet. Vor dem Essen wurde noch gespült und das Essen auf Platten für uns und die Menschen, die auch auf unserem Compound leben, angerichtet. Anschließend wurde nur noch geduscht und gespannt auf den Ruf des Muezzin gewartet.
Der erste Schluck des süßen Tees nachdem man den ganzen Tag nichts gegessen hat war jeden Tag etwas ganz besonderes und das Essen hat jeden Tag besonders gut geschmeckt, weil der Hunger abends sehr groß war. Der Rest meiner Familie hat sich nach dem ganzen Tag ohne Essen und Trinken immer besonders auf den ersten Becher Wasser gefreut. Jeden Abend haben wir das Essen zelebriert und teilweise auch noch Datteln verspeist. Nach der ersten Essensrunde haben wir uns dann auf das Sofa gesetzt bzw. Ataya gekocht oder etwas Zeit jede*r für sich verbracht. Nach einer Essenspause gab es dann vor dem ins Bett gehen noch eine zweite Essensrunde, die meistens aus dem zweiten vorbereiteten Essen bestand. Das späte Essen und das frühe Aufstehen haben dazu geführt, dass ich mich meistens den Tag über sehr müde und erschöpft gefühlt habe. Allerdings konnte ich im Ramadan lernen, wieviel Essen und somit Energie mein Körper benötigt, um den folgenden Tag des Fastens gut zu überstehen.
Gesellschaftliche Komponente
Da ein Großteil der gambischen Gesellschaft muslimisch ist, war Ramadan in der Gesellschaft omnipräsent. Es gab beispielsweise kaum Verkaufsstände für Frühstück am Morgen, die es sonst zahlreich gibt. Außerdem hat sich das Zusammenleben und der öffentliche Raum langsamer angefühlt. Insbesondere über die Mittgaszeit, wenn ich nach Hause gelaufen bin haben viele Menschen im Schatten gesessen oder gelegen, um zumindest der Hitze ein bisschen zu entkommen. Die kollektive Gereiztheit, vor der ich vor dem Ramadan gewarnt wurde, habe ich allerdings nicht so stark wahrgenommen. Viel mehr hatte ich das Gefühl, dass sich gegenseitig darin bestärkt wurde, dass alle gemeinsam das Fasten meistern werden.
Natürlich gab es nämlich Tage, die anstrengender waren als andere und auch Momente, in denen ich das Fasten am liebsten abgebrochen hätte. Aber genau in diesen Momenten war es wirklich beeindruckend, wie die Gemeinschaft das gemeinsam meistert und man sich gegenseitig bestärkt hat. (In einem kommenden Beitrag möchte ich noch gezielt auf das Thema Periode im Ramadan eingehen, da ich mich damit viel befasst habe. Das würde den Rahmen dieses Eintrages jedoch sprengen.)
Persönliche Erfahrungen
Bis heute bin ich nachhaltig davon beeindruckt, was der Ramadan mit mir als Person gemacht hat. Nicht nur konnte ich körperliche Auswirkungen wahrnehmen, wie beispielsweise Erschöpfung am Nachmittag oder einen Energieschub am Abend nach dem Essen, sondern auch psychisch habe ich bemerkt, was das Fasten mit mir gemacht hat. Ich konnte mich viel mehr auf mich konzentrieren und mich selbst viel besser priorisieren. Das ist sicher ein Punkt, den ich mit in meinen Alltag genommen habe. Ich habe mich viel damit befasst woran das liegt und konnte für mich feststellen, dass es daher rührt, dass ich abends nach dem Essen die meiste Energie des Tages hatte. Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch bereits dunkel und ich konnte daher nicht mehr raus gehen. Daher habe ich viel Zeit damit verbracht zu journaln und zu reflektieren, zu lesen und zu telefonieren. Dadurch hatte ich wirklich das Gefühl genau zu wissen, was in mir vorgeht und genug Zeit zu haben mich damit auseinanderzusetzen was ich gerade brauche. Beispielsweise konnte ich aus diesem Grund etwas später im Ramadan eine Begleitung zum Fitnessstudio am Abend organisieren, da mein Körper sich sehr nach Bewegung gesehnt hat.
Es war neu für mich den Tag über so wenig Energie zu haben, da ich normalerweise nur so von Energie sprudle und gleichzeitig hat mir die Zeit gezeigt, wie ich am besten mit meiner Energie haushalten kann und was wirklich priorisiert werden muss. Ich bin sehr froh die Erfahrung gemacht zu haben und dankbar dafür, dass ich in dieser besonderen Zeit Teil meiner gambischen Familie und grundsätzlich der Gesellschaft hier in Gambia sein durfte.
As part of a Muslim family here in The Gambia, I at least wanted to try to fast during Ramadan. My host family was very happy about this, even though they always emphasised that they did not expect me to do so. In retrospect, I am glad that I joined in the fast and was able to learn a lot about myself, my body and the effects of fasting in society. I would like to share a few of my personal experiences and subjective insights here.
At the beginning of Ramadan, I had lots of respect regarding societal implications of the fasting and was not sure whether I would be able to keep it up. Due to the high temperatures, I decided not to abstain from drinking but only from eating. I also communicated that I would like to participate in Ramadan to have a sense of belonging in society and my family, in order to go through this important time together. Sill, I explained that I would not do this for religious reasons and thus would not join in the prayers.
Everyday life in Ramadan
My days always started at 5 am in the morning during Ramadan so that I could eat for the first time of the day. At around 6 o’clock, the muezzin called and started the fast. From this point onwards, we stopped eating and the others in my family stopped drinking as well until the muezzin called again at around 7.15 pm, ending the fast.
In the morning I went to work as usual. After work I joined my host mother in cooking. We prepared food and talked for hours until it was almost time to eat. Every day we prepared at least two dishes and one special tea. Before we broke our fast the dishes had to be cleaned and the plates prepared for us and the other people at out compound. After that we all took a shower and waited patiently untill the muezzin would end the fast for the day.
The first sip of sweet tea after not eating all day was something very special every evening and the food tasted especially good because everyone was very hungry. The rest of my family always looked especially forward to the first cup of water after a whole day without eating and drinking. We celebrated our meals every evening and sometimes also ate dates. After the first round of eating, we sat down on the sofa, cooked ataya or spent some time everyone for themselves. After a break from eating, there was a second round of eating before going to bed, which usually consisted of the second meal. Eating late and getting up early meant that I usually felt very tired and exhausted throughout the next day. Still, the time in Ramadan tought me a lot about how much I need to eat for my body to have enough energy to make it through the following day.
Social component
As the majority of Gambian society is Muslim, Ramadan was omnipresent. For example, there were hardly any people selling breakfast in the morning. In addition, social life and public spaces felt slower. Especially around midday, when I was walking home, many people were sitting or lying in the shade to at least escape the heat a little. However, I did not notice the collective irritability that I was warned about before Ramadan. Instead, I had the feeling that everyone was encouraging each other that we can master the fast together.
Of course, there were days that were more demanding than others and also moments when I was thinking about breaking the fast. But it was especially in moments like these that the community coped together and encouraged each other. (In an upcoming article, I would like to talk more specifically about periods in Ramadan, as I have been looking into this a lot. However, that would go beyond the scope of this article).
Personal experiences
Untill today I am very much impressed about what Ramadan tought me as a person. I did not only notice physical implications such as feeling tired throughout the day or energized in the evenings after eating but also notices psychological impacts. In Ramadan it felt easier for me to focus on and prioritise myself. This is one big learning that I took with me into my daily life. I looked into the reasons for this and realised that it was because I had the most energy in the evening after eating but by this time was no longer able to go out because it was already dark. So I spent a lot of time journaling and reflecting, reading and talking on the phone. This really gave me the feeling that I knew exactly what was going on inside me and that I had enough time to deal with what I needed. For example, a little later in Ramadan, I was able to organise someone to accompany me to the gym in the evening, as my body was really craving for exercise.
It was a new feeling for me to only have little energy throughtout the days. Usually I have lots of it. Thus, I had to learn how to best manage the amount of energy that I had and prioritize the most important things. I am very grateful for the experience and the opportunity to be part of my Gambian family and the Gambian society in this important time of Ramadan.